Wie wohl auch in vielen anderen Regionen wurde in den letzten Jahrzehnten die gesamte Provence, nicht nur die mondäne Côte d’Azur, überschwemmt von Neubausiedlungen in provenzalischem Stil. Dessen Auswüchse versetzen so manchen Puristen in Entsetzen über schlimme Geschmackverfehlungen, üppigen Fassadendekor, harte Stilbrüche und all die sonstigen baulichen Gräueltaten und Übertreibungen. Leider haben allzu viele Bauherren, und vor allem auch Bauträger in ihrer Marketingstrategie, es sich angewöhnt „provenzalische Villen“ in die Landschaft zu klotzen, welche nur so von neoprovenzalischen Dekorabartigkeiten protzen.
Allerorts zu beobachten sind solche Stilbrüche bei den sogenannten „provenzalischen“ Häusern, welche die Landschaft verschandeln, und alles provenzalische Baumerkmale zu reinem Kitsch verkommen lassen. Das ist das Ergebnis einer fatalen, architektonischen Fehlinterpretation, welche schlichte Einfachheit mit ärmlicher Kargheit verwechselt, ohne begriffen zu haben, dass die besondere Schönheit provenzalischer Bauten im simplen Zusammenspiel harmonischer Baukörper, flachgeneigter Dächer in verschiedenen Firsthöhen und zusammenhängendem Mauerwerk, eines ans andere angeschlossen, begründet ist. Dabei spielt auch das verwendete Baumaterial der Mauern, der Dachziegel oder der von der Farbe des lokal vorgefundenen Putzsandes in Ocker- oder Rosafarbe bestimmten Couleur der Fassade eine erhebliche Rolle, nicht zu vergessen die Art und Anordnung der Fenster- und Türöffnungen, dazu farbig gestrichene Fensterläden.
Es stellt sich letztlich die Frage, existiert „provenzalischer Stil“ wirklich, in allen Baubereichen, von der Maurerarbeit, über den Zimmerer, den Schreiner, dem Bodenleger, dem Anstreicher, dem Gärtner…?
Aber, was genau ist eigentlich ein Mas ? Seit jeher war das provenzalische Mas ein familiäres Bauernhaus, welches je nach Bedürfnissen und natürlich finanziellen Möglichkeiten ausgebaut und erweitert wurde. In der Provence gleicht demnach kein traditionelles Landhaus, sei es ein ehemaliges Bauernhaus oder ein Einfamilienhaus, dem anderen, selbst wenn es freilich im Grundplan zahlreiche Gemeinsamkeiten gibt, wie die Küche, der Aufenthaltsraum, die Schlafzimmer sowie Lager- und Nebenräume.
Das Grundgebäude ist ein einfaches Haus, wie ein Quader aus geglättetem Bruchstein und seit Mitte des letzten Jahrhunderts aus Fabrikmauerwerk, mit aufgesetztem Stockwerk und darüber ein wenig geneigtes Satteldach, nach Süden ausgerichtet. Das ist der Kernbau eines komplexeren Hauses, welches nach mehreren Umbauten, Anbauten und sonstigen Erweiterungen entsteht. Die Dächer unterschiedlicher Höhe der Anbauten variieren, teils Satteldach, doch auch oft Pultdach. Aussentreppen führen zu einem Teil der oberen Räume. Das architektonische Ergebnis ist stets einzigartig, sei es auch eine einzelne Baulinie der Gebäudeteile, eine L- oder U-Form, oder, meist eine Mauer einschließend, ein Rechteck um einen Innenhof. Die einzelnen Mauerelemente hängen fest aneinander. War ursprünglich die funktionelle Raumaufteilung – insbesondere bei Bauernhäusern – in Hauswirtschafts-, Lagerräume und Ställen im Erdgeschoss, sowie Schlafbereich im Obergeschoss, befinden sich heute im Erdgeschoss vornehmlich Aufenthaltsräume, und natürlich eine Garage quasi als Stallersatz.
Bei genauer Betrachtung kommt man zu dem Schluss, dass tatsächlich ein typisch provenzalischer Stil existiert, selbst heute bei moderneren Bauten, die durchaus die Provence ehren. Es ist sanfte Architektur und traditionsbewusstes Bauen. Erstaunlich ist auch die Anpassungsfähigkeit der provenzalischen Mas mit den sich über Jahrhunderten veränderten Wohnanforderungen.
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