Courmes : Zeitsprung ins Dorf am Ende der Welt

Unsere Welt, der Planet Erde, ist eine Kugel, eben rund. Wo soll es da ein Ende geben? Wenn denn im Hinterland der Côte d’Azur tatsächlich irgendwo ein Ende der Welt sein sollte, dann muss es genau hier liegen. In dieser paradiesischen Idylle, zwischen dem wilden Wasserlauf Vallon de Bes, der einen Wasserfall speist bevor er sich in den Fluss Loup ergießt, und dem sanften Rücken des Gebirgszugs Serre de la Madeleine. Genau da versteckt sich das Bergdorf Courmes. Es besteht aus nur ein paar dutzend, teilweise unbewohnter Häuser. Dort leben eben gerade einmal gut hundert Menschen. Abgelegen, nur über eine schmale, steile Straße zu erreichen gelang es ihnen bisher, sich vom hochpreisigen Mainstream-Tourismus abzuwenden. Doch wartet hier eine Überraschung auf den Besucher: der kommunale Gasthof Auberge de Courmes, ein wahrer Gehimtipp.



Darum geht es in diesem Artikel :

Die Geschichte des abgelegensten Dorfes im Hinterland der Côte d'Azur

Die Hauptsehenswürdigkeiten von Courmes

Die vermeintlichen Gebeine des Heiligen Felix

Napoleons Freiluftballon landete hier zur Not

Besuch eines authentischen Restaurants mit sagenhaftem Preis-/Leistungsverhältnis

... und vieles mehr


Eingang der Mairie von Courmes, Bürgermeister Richard Thierry (rechts) und der Abgeordnete Eric Pauget. *


Courmes betritt man über eine schattige Allee, die leicht geschwungen zum kleinen Rathaus führt. Es ist ein ehemaliges Wohnhaus, welches später als Schule diente, bevor es zur Mairie umfunktioniert wurde. Im Vorgarten weht die französische Flagge im sanften Wind, an der rötlich verputzten Fassade erkennt man eine Tafel aus hellem Marmor. Es ist das Kriegerdenkmal aus dem 1. Weltkrieg. Darauf stehen die Namen von vier Söhnen des Dorfes. Hinter dem Rathaus breitet sich der Dorfplatz aus, beschattet, mit Bänken, umgeben von hübschen Wohnhäusern aus natürlichen Kalksteinen.

Vom Parkplatz führt eine Platanenallee an der Auberge vorbei zum Rathaus

An eins der Häuser schmiegt sich unauffällig die Kirche Eglise Saint Félix aus dem 18. Jahrhundert. Sie ist ebenfalls aus Kalkstein erbaut, mit einem geduckten, quadratischen Kirchturm, bestückt mit zwei alten Glocken, eine aus dem Jahre 1788, die andere von 1889. Ein rundes Vitro über dem hölzernen Portals zeigt den Heiligen Felix. Es ist eine kleine Kirche, der Marmor-Altar stammt aus dem 18. Jahrhundert, ebenso das sogenannte Saint-Joseph-Retabel, welches den Heiligen Josef von Nazaret, dem Patron der ganzen Kirche und der Arbeiter, rechts sitzend mit dem Dorfpatron Felix umgeben von einer Schar kleiner Engel, zeigt.

Kirchplatz, Altar und Friedhof : Eglise Saint Félix aus dem Jahre 1788

 

Der Heilige Felix und Adauctus

Die Kirche ist dem Heiligen Félix geweiht, einem römischen Märtyrer aus dem 3. Jahrhundert. Der Legende nach soll er während der Christenverfolgung unter Maximinian und Diokletian hingerichtet worden sein, nachdem er eine Götzenstatue durch einen Atemhauch vom Sockel geworfen hatte und einen Baum vor dem Tempel entwurzelt hatte. Bei seiner Enthauptung sprang plötzlich ein Zuschauer aus der Menge auf ich zu, küsste ihm Wangen und Hände und bekehrte sich zum Christentum. Dafür wurde er zusammen mit Felix enthauptet. Weil niemand seinen Namen kannte, nannte man ihn Adauctus, der Hinzugekommene. In der Kirche steht rechts neben dem Altar ein polychromer Reliquienschrein aus Holz aus dem 18. Jahrhundert, darin sollen Gebeine des Kirchenpatrons aufbewahrt sein. Das kann zurecht angezweifelt werden, denn erst im Jahre 1905 wurde bei archäologischen Grabungen im Cömeterium der Commodilla an der Starsse von Rom nach Ostia das Grab von Felix und Adauctus gefunden. Dabei wurde ebenfalls ein Bruchstück der Grabplatte entdeckt, worauf ein von Papst Damasus I. erstelltes Lobgedicht auf die Märtyrer eingemeiselt ist. Die älteste Darstellung der Märtyrer ist ein Fresko aus dem Jahre 528, welches in der römischen Katakombe Comodilla gefunden wurde. Es zeigt die beiden zusammen mit der Gottesmutter. In späteren Darstellungen wurden die Märtyrer oft auch mit zertrümmerten Götzenbildern dargestellt.

 

Bei einer Zeremonie anlässlich des Dorffestes am letzten Augustwochende
 tragen Gläubige den Reliquienschrein durch die Gassen.
Rechts das Grab von Felix und Adauctus in den Comodilla Katakomben von Rom

Links hinter der Kirche öffnet ein eisernes Tor zum Friedhof. Es knarzt ein wenig. Noch nie habe ich einen kleineren Friedhof als diesen gesehen. Wie von einer kleinen Terrasse blickt man auf die Rückseite der Dorfhäuser. Das imposante Kalkstein-Haus wird Château genannt, da es im 18. Jahrhundert als herrschaftliches Gutshaus erbaut wurde. Es wurde von den Landesherren aber nie dauerhaft bewohnt.

Bergiydylle von Courmes. Ein Paradies für Wanderer abseits überlaufener Pfade

Die Gasse führt links zu einem Oratorium aus drei Steinblöcken mit aufgesetztem schmiedeeisernem Kreuz. Die Kreuzwegstation wurde anfangs des 19. Jahrhunderts katastriert. Genaueres über dessen Ursprünge weiß man nicht.

 

Courmes inmitten der Gebrigswälder.
Unten, in der Schlucht ergiesst sich einer der beiden Wasserfälle der Gegend, la Cascade de Courmes.
Rechtes Bild die Kreuzwegstation aus dem 19. Jahrhundet mit ausgeschilderten Wanderwegen.
 

Nachhaltig und gesund

 Hier beginnt der Chemin Saint Barnabé, der ehemalige Weg der ländlichen Bevölkerung zur Feld- und Waldarbeit. In Restanques wurde vielfältiger Anbau betrieben, es gab auch ein besonntes Weinbaugebiet und bedeutende Schafzucht. Es scheint eine blühende Gegend gewesen zu sein. Das ursprüngliche Courmes wurde im Mittelalter eineinhalb Kilometer außerhalb im Gebirgszug Saint Madeleine gegründet. Urkunden aus dem Jahre 1235 bezeugen das, ebenso die verbliebenen Ruinen. Erst später siedelten sich die Dorfbewohner in niedrigerer Höhenlage an, dem heutigen Dorf. Doch auch dieser Ort war recht unzugänglich. Als 1670 der Bischof von Vence, Antoine Godeau sich zur Adventszeit über verschneite Wege erstmals hierher nach Courmes begab, besuchten seine Messe sämtliche Mitglieder der 17 ansässigen Familien. Diese lebten in perfekter Autonomie, hingen aber verwaltungsmäßig noch bis zur französischen Revolution vom nördlich des Plateau Saint Barnabé, in über 1000 m Höhe gelegenen Bergstädtchen Coursegoules ab.


Ein alter Renault R4 aus dem Dorf. Die Entenfahrer sind in der Auberge eingekehrt


Diese privilegierte „Ville Royale“ zählte damals mehr als Eintausend Einwohner. Aus dieser Epoche übriggeblieben ist der kommunale Brotofen, der Wäschebrunnen Lavoir in Courmes und eine Anekdote. Das erste kartographische Nationalprojekt Frankreichs wurde im 18. Jahrhundert von César-François Cassini und seinem Sohn Jean-Dominique erstellt. Es ist heute noch als „Carte Cassini“ ein Begriff. Und zur Realisierung der südostfranzösischen Karten residierte zumindest César-François Cassinis etwa 1780 einige Zeit in der Abgeschiedenheit von Courmes.


Die erste offizielle Landkarte der Region, erstellt von César-François Cassini um 1780

Napoleon und Courmes

Vorab gesagt: Napoleon war niemals in Courmes. Aber anlässlich der Krönung von Napoléon und Jospehine am 2. Dezember 1804 wurde zum ersten Male in der Geschichte ein Ballon aus festlichem Anlass gestartet. Er sollte von Paris nach Rom gelangen, was auch tatsächlich eintraf. Allerdings mit einem Zwischenstopp, eben auf einer Wiese von Courmes.

 

Eine Montgolfière  und das Gemälde der Krönung Napoleons
von Jacques-Louis David aus dem Jahre 1804

Die Maquisards von Courmes

Später dienten diese abgeschiedenen Bergwiesen den lokalen Grupierungen der französischen Resistance, welche sich zwischen Bar-sur-Loup und Gourdon ab 1943 formiert hatten. Das Plateau de Saint Barnabé wurde 1944 seitens der Alliierten zur Versorgung der Résistance-Kämpfer benutzt, vor allem mit Waffen und Munition, aber auch technischem Material, welches mit Fallschirmen abgeworfen wurde

Resistance-Kämpfer aus der Region sowie ein Flugblatt aus dem Jahre 1943

Heute spricht davon keiner mehr. Zahlreiche Wanderer durchschreiten diese bewaldete Hügellandschaft. Besonders beliebt ist der gut zweistündige Weg über Saint Barnabé zum gleichnamigen Weideplateau und der Passhöhe Col de Vence.


Viel Essvergnügen bei sehr moderaten Preisen

Sie starten morgens am Col de Vence, um mittags in der Auberge de Courmes einzukehren, bevor sie nach dem obligatorischen Café den Rückweg am frühen Nachmittag antreten.

Diese gemütliche Auberge sucht keinen Platz im hochpreisigen Tourismus der Côte d’Azur. Sie hat ihn, still und bescheiden. Und doch nur wenige kennen es. Das, obwohl es schon seit einem viertel Jahrhundert besteht, und seither mehrere Pächter zählte. Immerhin fand das Gasthaus Einzug in namhafte kulinarische Reiseführer. Bei Anfahrt ab Küste ist es unbedingt zu empfehlen vorab zu reservieren (Tel.: 0675490258).

Geheimtipp im Hinterland von Antibes : die Auberge de Courmes

Das Lokal bietet ehrliche Landküche. Damit ist alles gesagt. Diese Küche ist hausgemacht. Das Gemüse stammt zum Großteil aus dem eigenen Gemüsegarten. Vegetarische Krönung ist der Gratin de Legumes, fleischliches Erlebnis das gegrillte Riesen-Steak. Die Karte ist kurz, sie wechselt je nach Angebot, es gibt auch Fisch. Die Auberge ist täglich ausser Montag und Dienstag von 9 Uhr bis 19 Uhr geöffnet, Mittagessen wird ab 12 Uhr  serviert, sonst Frühstück und Barbetrieb.

Das Wirtspaar hat ein gutes Einfühlungsvermögen in die Wünsche seiner Kunden, die Gerichte sind schlicht und einfach, lokal inspiriert und zugleich lecker. Die Atmosphäre ist ungezwungen und locker, ländlich und bodenständig. Das kommt an, nicht nur in der direkten Umgebung und bei hungrigen Wanderern, sondern auch bei den international schaffenden Leuten im Umfeld von Sophia-Antipolis, die sich hier vom stressigen Arbeitstag erholen.

Anfahrt : Geht eigentlich nur bequem mit eigenem Fahrzeug. Man kann aus An- und Rückfahrt einen Tagesausflug machen, insgesamt etwa 90 bis 100 km, mit unterwegs die Schluchten und Wasserfâlle der Gorges du Loup, eine Rückfahrt über das schöne Adlerhorst-Village Gourdon und die Parfumstadt Grasse. Beginnend in Antibes fährt man über Valbonne, Opio, Bar-sur-Loup durch die fantastischen Schluchten Gorges du Loup zunächst bis kurz vor Bramafan, wo es eng und steil hoch nach Courmes geht. Der Parkplatz ist wenige Meter vor dem Ort. Wer eine Rundtour machen will, fährt wieder hinab Richtung Bramafan, und dann links über Gourdon bis Grasse und zurück.


Ein Parkplatz als botanischer Garten : Hübsch angelegt erklären Tafeln die einzelnen Bäume.
Unterhalb des Parkplatzes befindet sich das Saint-Jean-Baptiste-Oratoirte,
ein steinernes Gebetsmarkerl aus dem 19. Jahrhundert.

* Auf dem Photo sind zu sehen : Heimatverbunden und engagiert für ihre Region sind Bürgermeister Richard Thierry (rechts), ein bekannter Forschungsdirektor aus Sophia-Antipolis (Thierry und sein Team forschen an Bienenkrankheiten sowie an Query-Fieber bei Tieren, auch bekannt als Schlachthausfieber), und der Abgeordnete des Wahlkreises, Eric Pauget, welcher einen der bekanntesten Campingplätze der Côte d'Azur leitet, den Camp du Pylône in Antibes. Viel wurde von ihnen  für Courmes getan, nicht zuletzt auch mit erheblichen finanziellen Untestützungsgeldern der Europäischen Union.

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Courmes : Zeitsprung ins Dorf am Ende der Welt

Unsere Welt, der Planet Erde, ist eine Kugel, eben rund. Wo soll es da ein Ende geben? Wenn denn im Hinterland der Côte d’Azur tatsächlich i...