Ihre Vita ist außergewöhnlich, voller Abenteuer. Sie stellte einen Rekord nach dem anderen auf – jeder beeindruckender als der vorherige. Doch schwere Schicksalsschläge zeichneten ihr Leben. Es verlief tragisch und endete früh. Zunächst verband Maryse Bastié mit Antibes lediglich ihre Arbeit: Als talentierte Testpilotin startete sie im Seeflugzeughafen von Antibes, dem heutigen Jachthafen Port Vauban, zu Höhenflügen mit schweren Wasserflugzeugen. Sie wollte die gesellschaftlichen Grenzen ihrer Zeit durchbrechen, Rekorde aufstellen und zugleich für Frauenemanzipation kämpfen. Heute ist sie eine beinahe vergessene, bewundernswert feministische Figur der französischen Luftfahrtgeschichte. Die erstaunliche Geschichte der Maryse Bastié, einer ehemaligen Arbeiterin in einer Schuhfabrik, deren Einfachheit, Anmut, Hartnäckigkeit und Tapferkeit vorbildlich bleiben sollten.
Maryse kam nicht
zufällig nach Antibes. Sie war bereits eine erfahrene Rekordfliegerin.
Besonders Antibes und Cannes gefielen ihr – dort ist heute sogar eine Straße
nach ihr benannt. Ihre Aufgabe: In der Bucht unterhalb des Fort Carré, testete
sie in der Base Aéronavale d’Antibes Prototypen neu entwickelter
Wasserflugzeuge. Ein Traumjob in den 20-er und 30-er Jahren des letzten
Jahrhunderts – besonders für eine Frau! In einer männerdominierten Domäne
steuerte sie die damals hochentwickelten Maschinen, etwa des Herstellers
Bernard – mit hunderten PS. Und das in Pilotenoverall, zu einer Zeit, in der
Frauen selbst das Tragen von Hosen noch verwehrt war.
Geboren 1898 in
der Porzellanstadt Limoges, begann ihr Leben in Armut. Als sie elf Jahre alt
war, starb ihr Vater. Ihr zwei Jahre älterer Bruder ging aus finanzieller Not
zur See – ein Weg, der Maryse verschlossen blieb. Stattdessen musste sie als
Hilfsarbeiterin in einer Schuhfabrik arbeiten – für kaum 25 Centimes am Tag.
Auf der Suche nach ein wenig Glück heiratete sie jung einen Malerlehrling und
bekam einen Sohn, Germain. Die Ehe zerbrach bald. 1916 fiel ihr Bruder in
Verdun – Maryse war nun allein mit ihrem Kind. Es war eine Zeit voller
Rückschläge. Und doch: Maryse gab nicht auf.
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Schuhfabrik in Limoges |
Dann traf sie den Fliegerleutnant Louis Bastié – ihre große Liebe. Mit nur 20 Jahren unternahm sie ihren ersten Flug. Das Paar heiratete 1922 und ließ sich in der Region Bordeaux nieder.
Aufstieg zur
Fliegerin
Rasch absolvierte
Maryse den Pilotenschein auf dem Flugplatz Bordeaux-Teynac (heute
Bordeaux-Mérignac). Nur eine Woche später flog sie mit ihrer Caudron G.3 (dem
Modell, mit dem Adrienne Bolland die Anden überquerte), unter den Kabeln der im
Bau befindlichen Brücke von Bordeaux hindurch. Am 13. November 1925 absolvierte
sie ihre erste echte Flugreise von Bordeaux nach Paris – in sechs Etappen, allein
im Doppeldecker.
Am 11. Oktober
1928 erlangte sie die Lizenz als Verkehrsfliegerin – doch Frauen durften damals
nur Werbe- und Übungsflüge durchführen. Bei Fluggesellschaften zu arbeiten war
ihnen verboten. Diese Diskriminierung bekämpfte Maryse ebenso hartnäckig wie
das Fehlen des Frauenwahlrechts und die Lohnungleichheit.
Rekorde und Ehrungen
Endlich, 1929, erkannte das Luftfahrtministerium ihre Leistungen an: Sie erhielt eine Prämie von 10.000 Francs und wurde schuldenfrei. Es begann die Zeit der Rekorde:
Erster
Distanzrekord für Frauen (1.058 km zwischen Paris und Treptow, 1929)
Internationaler
Dauerflugrekord für Frauen (26 Stunden, 44 Minuten)
Und 1930: ein
38-stündiger Nonstop-Alleinflug über 2.976 km – trotz Hunger, Durst und
Schlafmangel. Sie sprühte sich Kölnisch Wasser in die Augen, um wach zu
bleiben.
1931 erhielt sie
das Kreuz der Ehrenlegion. Auch die Harmon Trophy – zum ersten Mal an eine Frau
verliehen – wurde ihr zugesprochen.
Tragödien und
Triumphe
Im Jahre 1932 unterschrieb
sie einen Vertrag mit dem Flugzeug-Hersteller Potez – sie lieferte Maschinen
nach Südeuropa.
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Wasserflughafen im Port Vauban von Antibes |
Dann kam der nächste Schicksalsschlag, 1935 starb ihr Sohn Germain an Typhus – in ihren Armen. Sie warf sich in ein neues Projekt: den Alleinflug über den Südatlantik. Monatelang arbeitete sie daran – 1936 gelang ihr der 3.000 km lange Alleinflug von Dakar nach Natal in zwölf Stunden – ohne Funk, in einer Caudron-Simoun, die sie „Jean Mermoz“ taufte – als Hommage an den wenige Tage zuvor verunglückten Piloten. Sie hatte das Unglaubliche gewagt, es wurde ein Triumph.
Politisches Engagement und Krieg
Schon 1934 hatte sie sich politisch engagiert: Gemeinsam mit Hélène Boucher und Adrienne Bolland unterstützte sie die feministische Politikerin uns spätere Europa-Abgeordnete Louise Weiss, die bei den Parlamentswahlen 1936 als Frau symbolisch kandidierte. Ein Ministerposten sollte ihr von Léon Blum im gleichen Jahr angeboten werden, doch schlug sie diesen aus: „Ich wollte gewählt werden, nicht ernannt.“
Eine triumphale
Südamerika-Tournee folgte 1937. Sie überquerte die Anden auf 6.000 Metern Höhe in nur 2
Stunden und 10 Minuten.
Als 1939 der Krieg drohte, meldete sie sich zur Luftwaffe. 1940 wurde ein weibliches Hilfspilotenkorps gegründet – Maryse war Leutnant, zuständig für Sanitätsflüge. Nach einer Kriegsverletzung arbeitete sie später für das Rote Kreuz – unter dem Deckmantel Informationen für die Resistance sammelnd. 1944 wurde sie von der Gestapo verhaftet und drei Tage lang verhört – dann freigelassen.
Letzte Jahre und
Tod
Nach dem Krieg übernahm sie Verwaltungsaufgaben bei der Luftwaffe. 1944 trat sie dem ersten weiblichen Militärpiloten-Korps bei, wurde Leutnant der Freien Französischen Streitkräfte und Kommandeurin der Ehrenlegion – als erste Frau überhaupt. 1951 arbeitete sie schließlich in der PR-Abteilung des Flight Test Centers. Am 6. Juli 1952 kam Maryse Bastié bei einer Flugschau auf dem Flughafen Lyon-Bron ums Leben. Sie saß in einem Prototypen des Noratlas-Nord 2501, als dieser abstürzte – ausgerechnet durch Fahrlässigkeit des Piloten.
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Grabmal auf dem Pariser Montmartre-Friedhof |
Sie wurde in Paris auf dem Friedhof Montparnasse beigesetzt. Ihr Grabmal, 1955 eingeweiht, zeigt eine Frau unter einem Flügel. Ein passenderes Symbol für Maryse Bastié lässt sich kaum finden. Maryse Bastié war mehr als nur eine Pilotin. Sie war eine Kämpferin. Eine Feministin. Eine Visionärin. Sie lebte für die Freiheit – in der Luft und auf der Erde.
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